Eigentlich wollten Beni und ich nur unser Wissen zum Thema Compoundschießen erweitern, doch dabei sollte es für mich nicht bleiben… – doch dazu später.
Pünktlich um 9.30 Uhr (Sonntag Morgen, brrrr) sammelte mich Beni am 1.Februar (2009) an der Bogenwelt Halle ein, um Richtung Bad Blankenburg in Thüringen zu starten. Als alter Recurve Blankschütze legte ich natürlich wenig wert auf die Ausrüstung, die ich mitnahm. Ein Hoyt Avenger mit Billigpfeilauflage, ein Challenger Visier mit Billigscope, ein Truball Backtensionrelease und ein OK-Monostabi sollten es tun. Damit ich während des Praxisteils nicht in die Hallenwand schießen würde, stellte ich das Visier am Freitag noch mit etwa 10 Schüssen provisorisch auf 18 Meter ein.
Nachdem wir in Coburg bei Muttern für Rehbraten und Klöße einen Zwischenstop eingelegt hatten, kamen wir frisch gestärkt in Bad Blankenburg an. Der theoretische Teil sollte um halb vier starten und so hatten wir noch ein paar Minuten Zeit, unser Zimmer im Hotel der Landessportschule Thüringen zu beziehen. Der Neubau hatte wunderbar große, helle Zimmer und bot alles, was man von einem guten Hotelzimmer verlangt. Sogar eine Flasche Wasser mit zwei Gläsern standen auf der Kommode. Was für ein Service. Erst als wir genauer hinschauten, stellten wir fest, dass die Flasche halbleer und die Gläser schon mal benutzt waren. Was für eine Schlamperei 😉
Der Tagungsraum war schon ziemlich voll, als wir kamen und so durften wir in der ersten Reihe Platz nehmen, die ja meistens von den schüchternen Zuschauern gemieden wird. Nach der obligatorischen Begrüßung von Vera Todtenhöfer, Chefin von dem Großhandelsunternehmen Black Flash Archery, die diesen Vortrag bei sich organisiert hatten, übernahm John das Wort. Vieles von der folgenden Power Point Präsentation war mir schon aus der Literatur bekannt, aber es gab dennoch einiges, was sich noch als sehr lehrreich erweisen sollte. Beni und ich waren sehr glücklich über unsere guten Englischkenntnisse, denn so waren wir nicht auf die Übersetzungskünste von Metrodix (Betreiber der Internetseite Compoundbow.de) angewiesen, der oftmals den Sinn des von John Gesagten verdrehte und immer wieder vom Plenum korrigiert werden musste.
Trotz der viereinhalb Stunden Vortrag schaffte es John immer wieder durch seine plakative Vortragsweise die Zuhörer bei der Stange zu halten, so daß vieles hängen blieb. Das wichtigste will ich für den Leser aber auch für mich nochmals zusammenfassen.
Gleich am Anfang hatte John die Lacher auf seiner Seite, als er erklärte, dass erfolgreiches Schießen auf einem einfachen System basierte. Schritt eins wäre es, zu lernen, eine 10 zu schießen. Schritt zwei wäre einfach Schritt eins zu wiederholen. Um dies jedoch zu erreichen, bedurfte es jedoch etwas mehr Info.
Das Schießen teilt sich in drei Komponenten auf: Die erste Sparte betrifft das Mechanische. Das bezieht sich im Wesentlichen auf die technische Ausrüstung, sprich Bogen, Pfeile, Auflage, Visier, Release, usw.. Die Zweite Komponente nennt John die Physische. Dazu gehört natürlich das Schießtraining, aber auch Kraft- und Ausdauersport, Ernährung und natürlich auch die sinnvolle Einplanung von Ruhepausen.. Die letzte Komponente ist die mentale Ebene, die bekanntermaßen bei den meisten Schützen zu kurz kommt, besonders für einen Weltklasse Schützen aber eine entscheidende Rolle spielt. Die Hauptbotschaft Johns lag darin, sich stets positiv zu stimulieren. Ob mit einem Handybild von einer schönen Pfeilgruppierung oder den Gedanken an den perfekten Schuß. Durch eine gebetsmühlenartige Wiederholung dieser erfolgreichen Szenen besteht die erhöhte Wahrscheinlichkeit dies auch in die Tat umsetzten zu können. Dabei kann das Hirn nicht gleichzeitig positive und negative Empfindungen haben, so dass wir, wenn wir fortwährend an etwas Positives denken, gar nicht die Möglichkeit haben, an etwas Negatives zu denken. Darüber hinaus forderte John das Publikum auf, einfache Bücher über Psychologie zu lesen, um die Zusammenhänge verstehen zu lernen, die sich im Kopf eines Schützen abspielen. So lernten wir zum Beispiel, dass das Unterbewusstsein nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann und wir deshalb dieses mit Bildern und Worten beeinflussen können. Der Schütze muß lernen an sich selber zu glauben, wenn es eines Tages Realität werden soll. Ein weiterer wichtiger Hinweis von John war, dass sich das Gehirn alle 10-15 Sekunden “resetet” (Mensch Immo, du hast das schon immer gewusst ;-)). Wenn man also an der Schießlinie nervös wird, hilft es sich abzulenken, um die Nervosität loszuwerden.
Nur wenn diese drei Komponenten miteinander in Einklang sind, kann der Schütze erfolgreich sein. So wird ein Schütze mit schlechtem Material genauso Punkte verlieren, wie ein Schütze, der körperlich nicht fit ist oder nicht an sich und seine Fähigkeiten glaubt!
Auch auf die Unsitte mancher Schützen ständig an ihrem Equipment und an ihrem Schießstil Veränderungen vorzunehmen hatte er eine einprägsame Antwort: “If you change anything, you will change evrything!” (Wenn du etwas änderst, änderst du alles!) Dabei braucht es etwa 4 Wochen konstantes Training, um sich auf eine Neuerung im Schießstil einzustellen.
Seinen Schuß baut John auf 6 Faktoren auf, die er bewusst durchgeht:
Stand:
John wählt einen leicht offenen Stand. Dadurch hat er einen guten Winkel zwischen Zugarm und Rücken, so dass optimal Rückenspannung aufgebaut werden kann.
Griff:
Wenn man einen langen Stabi hat, sollte man den Bogen darauf abstellen und dann die Hand bewusst an den Griff legen, bis man das Gefühl hat, dass es sich richtig anfühlt. Die Hand sollte dabei so ausgerichtet sein, als wenn man sich an einem Türbalken festhält.
Schulter:
Die Schulter muss unten bleiben. Durch eine hochgezogene Schulter, wird der Rückenspannung der nötige Platz zum ziehen geraubt.
Anker:
Der Anker sollte immer gleich sein. John hat Zeige und Mittelfinger V-förmig gespreizt (entsteht durch das Release, welches zwischen den beiden Fingern steht. Diese V umschließt den Kieferknochen.
Peep:
Erst in den Anker und dann durch das Peep schauen. Besonders im Feld kann es passieren, dass man zwar durch das Peep schaut, der Anker aber plötzlich wo anders ist.
Engage:
Aus dem Rücken ziehen. Den Zeigefinger immer mehr entspannen, bis der Bogen schießt. Punchen ist ein absolutes Nogo.
Darüber hinaus sollte die Auszugslänge, so sein, dass der Haltearm und die Schulter eine Linie bilden. Dadurch wird gewährleistet, dass man die Kraft nicht mit den Muskeln halten muß. Vielmehr wird der Schießvorgang durch die Armknochen stabilisiert.
Nach dem Vortrag ging man dann um acht Uhr zusammen in den Hoteleigenen Pub zum Essen. Obwohl der Tag schon ziemlich lange war, schafften es dennoch einige Unermüdliche, sich mit Billard, Kicker und Bowling und dem einen oder anderen alkoholischen Getränk, die Nacht bis halb vier um die Ohren zu schlagen. Unsrem amerikanischen Seminarleiter hat es wohl gut gefallen, harrte er doch mit uns bis zum Schluss aus.
Am nächsten Morgen trafen sich die Teilnehmer, manche mit leicht faltigem Gesicht und kleinen Augen, in der Turnhalle der Landessportschule zum praktischen Teil. Dabei nahm John jeden einzelnen unter die Lupe, gab Verbesserungstipps, lobte und kritisierte. Den einen oder anderen traf es dabei auch hart, wurde ihm doch nahegelegt noch mal ganz von vorne anzufangen. Nach dem Mittagessen war dann ich dran und ich war äußerst positiv überrascht, als John keine Fehler bei mir fand und er mich noch dafür lobte, dass ich auf den Schuß warte, bis er sich löst und es nicht erzwinge. Viele Tipps aus dem theoretischen Teil hatte ich allerdings schon umgesetzt und so waren die Ergebnisse viel besser als früher.
Wenn man nun Recurve blank schießt, darin mal sehr erfolgreich war, jetzt aber nichts mehr auf die Reihe bringt, weil die Finger meist schon aufgehen, wenn man das Gold sieht, wenn man dann noch von einem der weltbesten Compounder erfährt, dass man einen fehlerfreien Schießstil hat und die Ergebnisse nach einem Nachmittag schon sehr gut sind, was bleibt einem da schon anderes übrig, als den Recurve ins Eck zu stehlen und dafür bin ich nicht etwa böse, sondern motiviert, dahinzugehen, wo ich noch nie zuvor gewesen bin zu den Freestylern.
Tschingo
P.S.:
Vielen Dank, John, für das hervorragende Seminar, das mich so mitgerissen hat und mir eine neue Perspektive für die Zukunft gegeben hat. Ich kann jeden nur empfehlen, sich für dieses Seminar, welches meines Wissens jedes Jahr bundesweit ein paar Mal im Januar stattfindet, anzumelden. Es ist es wert, egal ob Compound oder Recurve, Anfänger oder Fortgeschrittener!
Vieles Wissenswerte hat er bereits im Bogensport Magazin veröffentlicht. Wer will, kann diese Artikel auf seiner Homepage nachlesen (www.dudleyarchery.info) oder sich mit dem Magazin in Verbindung setzen (www.bogensport.de), die diese Veranstaltungen auch insgesamt organisieren.
So wie es aussieht, wird John nächstes Jahr ein Seminar bei uns abhalten, allerdings müssen die Modalitäten noch geklärt haben. Wir geben dann rechtzeitig auf unserer Homepage Bescheid.
Now I’m a believer 😉